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Bundeswehreinsatz im Inneren mit militärischen Mitteln in Ausnahmefällen zulässig

8. Juli 2018 Franz Heinz

Das BVerfG entschied mit Plenarbeschluss vom 03.07.2012, dass militärische Mittel zur Gefahrabwehr im Inneren eingesetzt werden dürfen (Az.: 2 PBvU 1/11). Dieser Einsatz solle nur in Fällen einer ungewöhnlichen Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes begründet sein.

Der Senat, der die Entscheidung des Ersten Senats im Jahr 2006 korrigierte, hielt zudem eine abstrakte Normenkontrolle zu den §§ 13, 14 Abs.1, 2, 4 und § 15 Luftsicherungsgesetz (LuftSiG) für notwendig. Durch diese Vorschriften werden die Voraussetzungen geregelt, die für die Abwehr besonders schwerer Unglücksfälle, die von Flugzeugen ausgehen, unentbehrlich sind. Der Erste Senat vertrat 2006 die Ansicht, dass ein Einsatz der Streitkräfte mit militärischen Mitteln zur Abwehr von Gefahren, die von Flugzeugen ausgehen, unzulässig sei. Weiter beanstandete der Erste Senat, dass die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für die Regelung der §§ 13 bis 15 LuftSiG durch Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG begründet sei, wonach die Streitkräfte die Polizei bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen regional und überregional ohne Einsatz von militärischen Waffen unterstützen sollen. Der Zweite Senat, der diese Ansicht nicht teilte, rief das Plenum an, wobei sich eine dritte Vorlagefrage auf die Eilkompetenz des Bundesverteidigungsministers in Fällen des überregionalen Katastrophennotstandes stellte.

Das BVerfG war nun der Auffassung, das die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für §§ 13 ff. LuftSiG nicht aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG, sondern als Annexkompetenz aus Art. 73 Nr. 6 GG a.F. (heute Art. 73 Abs. 1 Nr.6 GG) herleiten lasse. Hierdurch sei als Annex auch die Gesetzgebungszuständigkeit für die Abwehr aus dem Luftverkehr herrührende Gefahren erfasst. Diese Kompetenz wird in den Fällen der §§ 13 ff. LuftSiG dem Bund als eigenständiges Gefahrabwehrrecht zugeteilt. 

Der Zweite Senat des BVerfG hält einen Einsatz militärischer Kampfmittel nur unter strengen Voraussetzungen für begründet, da Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG die Verwendung spezifisch militärischer Waffen nicht ausschließt. Zu einem Unglücksfall zählen jedoch nicht die Situationen, in denen die Polizei nicht mehr im Stande ist die Gefahrensituation zu beherrschen. Die Ausnahmesituation darf vielmehr nicht von Art. 87a Abs. 4 GG erfasst sein, damit eine Ausnahmesituation geben sein könnte.

Für den Einsatz der Streitkräfte muss der Unglücksfall bereits vorliegen und der Eintritt eines katastrophalen Schadens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstehen, da der Einsatz der Streitkräfte und der spezifischen militärischen Abwehrmittel nur als ultima ratio zulässig sei.

Zudem bestätigte der Zweite Senat die Ansicht des Ersten Senats, dass nur die Bundesregierung als Kollegialorgan gem. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG ermächtigt sei den Einsatz von Streitkräften anzuordnen. Damit verstößt die in § 13 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG geregelte Eilkompetenz des Bundesverteidigungsministers in diesen Fällen gegen Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG.

In seinem Sondervotum vertritt der Richter Gaier die Ansicht, dass der Streitkräfteeinsatz im Inneren mit spezifisch militärischen Waffen zur Bekämpfung von Katastrophennotständen nicht durch die Verfassung gesichert sei. Der Richter urteilte auf der Grundlage der historischen und systematischen Auslegung des GG.

Diese Argumente sind nicht von der Hand zu weisen. "Zivilen" militärischen Einsatz unseres Heeres gibt es bereits - es sei an die Flutkatastrophen erinnert - und hiergegen ist auch nichts einzuwenden. Ein "bewaffneter" - und ja nicht nur zur Abschreckung oder zum Spielen bezweckter Einsatz - im Inneren (dann auch gegen die eigenen Bürger) erinnert doch an Zustände, an die eigentlich nicht erinnert werden sollte.

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