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Strafbare Beleidigung im Fußballstadion

22. Februar 2019 Martina Schultzky

Angesichts des üblichen Umgangstons im Stadion und des Umstandes, dass dort klassischer Weise intensive Emotionen aufkommen, die auch verbal zum Ausdruck kommen, fragt man sich, ob eine strafbare Beleidigung im Stadion überhaupt möglich ist. So wird doch einigermaßen regelmäßig der gegnerische Torwart als „Fliegenfänger“ begrüßt oder eine weitere Fehlentscheidung des Unparteiischen mit den Worten „Schiri, du Arschloch!“ besungen.

Je nach den Umständen des Einzelfalles könnten diese Äußerungen aber tatsächlich strafbare Handlungen sein.

Allerdings ist die Beleidigung nach §§ 185, 194 StGB ein reines Antragsdelikt und wird daher nur bei Vorliegen eines Strafantrags eines Berechtigten verfolgt. Das Fehlen solcher Strafanträge mag ein Grund dafür sein, dass nicht die Mehrheit der Stadionbesucher einschlägig vorbelastet ist.

Im Fall, den das Amtsgericht Sinsheim am 21.02.2019 entschieden haben soll, scheint dies anders gewesen zu sein. Drei Kölner Fußballfans sollen wegen Beleidigung schuldig gesprochen und zu Geldstrafen von 20 und 30 Tagessätzen verurteilt worden sein. Ihnen wurde vorgeworfen, am 31.3.2018 bei dem Bundesligaspiel der TSG Hoffenheim gegen Köln Dietmar Hopp als „Sohn einer Hure“ beleidigt zu haben. Die Identifikation der Fans soll per Videoaufzeichnung erfolgt sein.

Dies zeigt zum einen, wie gut die Videoüberwachung in Stadien funktioniert und zum anderen, dass es bei Vorliegen der formalen Voraussetzungen auch durchaus zu Verurteilungen wegen mehr oder weniger heftigen verbalen Äußerungen im Stadion kommen kann.

Trotz des rauen Umgangstons beim Fußball ist das Stadion jedenfalls keine „beleidigungsfreie Sphäre“, wie sie von der Rechtsprechung im Rahmen besonderer Vertrauensverhältnisse z.B. im engsten Familienkreis angenommen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu entschieden, dass es zum Persönlichkeitsschutz des Einzelnen gehöre, unter den Bedingungen eines besonderen Vertrauensverhältnisses in einer Sphäre, die gegen die Wahrnehmung der Äußerung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist, „seine Emotionen frei auszudrücken, geheime Wünsche oder Ängste zu offenbaren und das eigene Urteil über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung freimütig kundzugeben“ (BVerfG Beschluss vom 23.11.2006 – 1 BvR 286/06). Diese Bedingungen liegen im Stadion gerade nicht vor. Die Äußerungen erfolgen öffentlich, können von den Umstehenden wahrgenommen werden und werden bei Bundesligaspielen ggf. auch im Fernsehen übertragen.

Es gibt aber Ansätze für eine erfolgreiche Verteidigung: Viele der „klassischen“ Stadionkommentare könnten unter Umständen als „tadelnde Urteile über gewerbliche Leistungen“ im Sinne des § 193 StGB zu sehen sein – die fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs macht es möglich. Jedenfalls ist bei der Entscheidung darüber, ob bzw. welche Äußerung tatsächlich einen strafbaren Charakter hat, dem Recht auf freie Meinungsäußerung ebenso Rechnung zu tragen wie dem Verbot der Schmähkritik.

Nur mit einer gründlichen Abwägung der unterschiedlichen Interessen kann einer Entwicklung des Fußballs hin zu ganz großem Tennis entgegengewirkt werden. Quiet, please!

 

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